Die Ground-Regeln: Erdung, Klasse und EMV

Eine einfache Masseverbindung eines standardmäßigen Klasse-II-AC/DC-Schaltnetzteils kann EMV-Probleme verursachen. Die Lösung ist ein externes Netzfilter oder eine speziell für PELV-Anwendungen konzipierte RECOM-Serie mit zusätzlicher interner Filterung.

Warum Masse?

Unser Stromnetz hat eine gefährliche Spannung. Darum sind Schutzmaßnahmen gegen einen elektrischen Schlag erforderlich (Tabelle 1). Da Strom immer den Weg des geringsten Widerstandes nimmt, ist Erden eine Möglichkeit, die Gefahr eines elektrischen Schlages zu verringern. Dadurch fließen Leck- oder Fehlerströme nicht durch den relativ hochohmigen menschlichen Körper, sondern werden im Nebenschluss zum Massepotential zurückgeleitet. Die andere Möglichkeit, sich vor elektrischem Schlag zu schützen, besteht darin, den Stromfluss durch ausreichende Isolierung auf ein sicheres Maß zu begrenzen. Für Netzspannungen sind gewöhnlich zwei getrennte Isoliermittel (doppelte oder verstärkte Isolierung) erforderlich, damit bei Ausfall einer Isolierung die verbleibenden Barrieren den Stromfluss weiterhin blockieren können.
Auswirkungen des elektrischen Stroms und Sicherheitsklassen
Tabelle 1: Schwellenströme für den menschlichen Körper (Quelle: DC/DC BoK 6.1.2).
Symbole für elektrische Masse: Signal, Chassis, Erde
Abb. 1: Arten von Massesymbolen.
Wenn ein Netzteil mit Masse verbunden oder geerdet ist, so wird es mit einem genormten Symbol versehen, das die Masseverbindung angibt. Es gibt drei Arten von Massesymbolen, da sich die Funktionen der Massepotentiale geringfügig voneinander unterscheiden (Abbildung 1):

Signalmasse: Der Rückweg oder Nullspannungs-Verbindungspunkt innerhalb eines Stromkreises. Dieser Punkt kann, muss aber nicht unbedingt mit dem Gehäuse- oder Erdungsmassepunkt verbunden sein.

Gehäusemasse: Eine einzelne Verbindung mit dem Gehäuse aus Metall. Die Funktion der Gehäusemasse besteht darin, Streu- oder induzierte Spannungen aufzunehmen und zu einem Massepotential zurückzuführen (Abschirmungsfunktion). Sie kann aber auch mit der Erdungsmasse verbunden sein, um einen elektrischen Schlag zu verhindern (Erdungsfunktion). Es ist wichtig, dass die Gehäusemasse und die Erdungsmasse an einem einzigen Verbindungspunkt zusammentreffen, weil sonst Strom durch das Gehäuse von einem Teil des Stromkreises zu einem anderen fließen und eine Masseschleife bilden könnte. Masseschleifen können unerwünschtes elektrisches Rauschen in einem Stromkreis verursachen, das die Leistung schmälert und die EMV-Störfestigkeit (oder elektromagnetische Verträglichkeit) beeinträchtigt.

Erdungsmasse: Das ist die Schutzerdungsverbindung (Protective Earth, PE), die zu den Erdungs-Pins des Netzsteckers zurück verdrahtet ist und einen sicheren niederohmigen Weg für Leck- oder Fehlerströme bildet. „Erde“ und „Masse“ werden in diesem Whitepaper gegen einander austauschbar verwendet.

Was ist die Stromversorgungsklasse?

Es ist nicht immer notwendig, ein Netzteil mit Masse zu verbinden, wenn es ausreichend isoliert ist, um bei Berührung einen elektrischen Schlag zu vermeiden, oder wenn es mit einer sicheren Kleinspannung (Safe Extra-Low Supply Voltage, SELV) betrieben wird. Verwirrenderweise wird das Klassensystem je nach den verwendeten Normen in Klasse I, II oder III bzw. in Klasse 1 oder 2 unterteilt:

Die IEC (International Electrotechnical Commission) klassifiziert Stromkreise folgendermaßen:
Geerdetes Stromkreissymbol für Erde
Abb. 2a: Erdungssymbol.

Geräte der Klasse I

Systeme, die eine Schutzerdung (z. B. ein mit Masse verbundenes Metallgehäuse oder einen mit Masse verbundenen Ausgang) und eine Fehlerstromunterbrechung (Sicherung oder Leistungsschalter) als eine Schutzstufe verwenden und daher nur eine Basisisolierung benötigen. Keine freiliegenden gefährlichen Spannungen (geerdetes Metallgehäuse oder nichtleitendes Gehäuse).
Schwarzer quadratischer Rahmen
Abb. 2b: Symbol für doppelte Isolierung.

Geräte der Klasse II

Eine doppelte oder verstärkte Isolierung macht ein mit Masse verbundenes Metallgehäuse überflüssig; es liegen keine gefährlichen Spannungen frei (nichtleitendes Gehäuse). Es ist keine PE-Verbindung erforderlich, aber es kann ein Filtererdungsanschluss verwendet werden (Funktionserdung statt Schutzerdung).

Anmerkung: Wenn ein AC/DC-Netzteil eine Filter Ground (FG)-Verbindung hat, um die EMV-Bestimmungen zu erfüllen, kann es trotzdem als Netzteil der Klasse II eingestuft werden, wenn es die Masseverbindung zum Schutz vor elektrischem Schlag nicht benötigt.
Widerstandssymbol auf weißem Hintergrund
Abb. 2c: Symbol der Klasse III.

Geräte der Klasse III

Die Stromversorgung kommt von einer SELV-Quelle und ohne Gefahr des Entstehens gefährlicher Spannungen im Inneren, weshalb nur eine funktionale Isolierung erforderlich ist. Funktionserdung kann verwendet werden, aber eine Verbindung mit PE ist nicht zulässig (kein Rückweg zu Masse über das Netzteil).

Die US-amerikanische NEC (National Electrical Code)-Klassifizierung verwendet ebenfalls ein ähnliches „Klassen“-System zum Beschreiben der verschiedenen Schutzniveaus, verwendet jedoch arabische Ziffern zum Beschreiben des Schutzes vor übermäßiger Energiedissipation (Brandgefahr).

Die NEC-Stromkreisklassifizierungen sind:

  • Stromkreise der Klasse 1: Leistungsbegrenzung auf <1kVA und Ausgangsspannung <30VAC
  • Stromkreise der Klasse 2: Leistungsbegrenzung auf <100VA, Eingangsspannung <600VAC und Ausgangsspannung <42,5VAC
  • Stromkreise der Klasse 3: Leistungsbegrenzung auf <100VA, Eingangsspannung <600VAC und Ausgangsspannung <100VAC; Zusätzlicher Schutz vor elektrischem Schlag erforderlich.

Wenn also jemand von einem Netzteil der „Klasse zwei“ spricht, muss man immer prüfen, ob er die IEC- oder die NEC-Definition verwendet.

Masseverbindung des Eingangs

An ein Terminal angeschlossene elektrische Leitungen
Abb. 3: Netzeingangsanschlüsse an einem Netzteil der Klasse 1 (RACM600L). Neben der Erdungsklemme befindet sich der Gehäuseerdungspunkt, der ebenfalls mit dem Massesymbol gekennzeichnet ist.
Abbildung 3 zeigt ein Netzteil der Klasse I, bei dem eine Schutzerdungsverbindung sowohl der Sicherheit als auch den EMV-Anforderungen dient:

Abbildung 4 zeigt ein vereinfachtes Blockschaubild eines typischen AC/DC-Schaltwandlers der Klasse I. Die Schaltstufe erzeugt elektrisches Rauschen (rot dargestellt), das sowohl zum Eingang als auch über die Kopplungskapazität des Trenntransformators zum Ausgang geleitet wird. Die Filterpfade (blau dargestellt) verwenden C2, C3, C5 und C6, um die Störung zur niederohmigen Erde zu kanalisieren.

Das kapazitiv gekoppelte Rauschen am Ausgang wird über den Kondensator C4 zum Schalter zurück „kurzgeschlossen“, wodurch die Schleife geschlossen wird. C4 liegt an der Isolationsbarriere und muss für entsprechende Isolationsspannung (i.d.R. 4kV) als Y-Kondensator dimensioniert sein. C1 ist ein netztauglicher X-Kondensator, C2, C3, C5 und C6 sind jeweils Y-Kondensatoren. Eine Erklärung des Unterschieds zwischen Y- und X-Kondensatoren findet sich im RECOM AC/DC Book of Knowledge, ...

Das gesamte Whitepaper lesen?