Wie gut ist die Gate-Treiber-Isolation? Der ‘BIER’-Test schafft Klarheit

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Neueste Wide-Bandgap-Halbleiter (WBG) nähern sich dem Ideal an mit superschnellem Schalten bei hohen Spannungen mit geringen Verlusten, während moderne MOSFETs und Trench-IGBTs auch hohe Werte bei dV/dt und di/dt aufweisen können. Schnelles Schalten in ‘Low-Side’ Schaltungen kann jedoch transiente Spannungen an Gate-Treiber-Schaltungen einkoppeln und zu einem chaotischen Betrieb oder zu Schäden führen, während ‘High-Side’ Gate-Treiber einer zusätzlichen Beanspruchung ihrer Signal- und Stromisolation unterliegen.

Moderne Hableiter-Schalter nutzen Wide-Bandgap-Technologien (WBG) und sogar MOSFETs und einige IGBTs ermöglichen extrem schnelles Schalten. Das verringert Verluste während der Schaltübergänge und erlaubt einen Betrieb mit höherer Frequenz bei hoher Effizienz, höherer Energiedichte, kleineren passiven Bauteilen und geringeren Kosten. Es gibt jedoch den Nachteil erhöhter elektromagnetischer Störungen und Beanspruchung an Gate-Treiber-Isolationssystemen infolge hoher Werte von dV/dt und di/dt. Abbildung 1 zeigt eine typische Gate-Treiber-Schaltung für einen IGBT, die eine positive Spannung zwischen 5V und 20V verwendet, um das Bauteil EIN zu schalten, sowie 0V, um es AUS zu schalten. Statisch funktioniert diese Schaltung auch perfekt für Si MOSFETs vom Anreicherungstyp und WBG-Bauteile in SiC- und GaN-Technologie – in allen Fällen ist das Bauteil garantiert ausgeschaltet, wenn kontinuierlich 0V am Gate anliegen.


Abbildung 1. Vereinfachte Gate-Treiber-Schaltung

Es treten jedoch Probleme auf, wenn das Bauteil schnell geschaltet wird und parasitäre kapazitive und induktive Elemente ins Spiel kommen, wie Abbildung 2 gezeigt ist.


Abbildung 2. Gate-Treiber mit parasitären Elementen

Nimmt man das Beispiel eines di/dt-Wertes für den Drain-Source-Strom von 10A/ns, was für modernste GaN-Vorrichtungen praktikabel ist, und eine Quelleninduktivität von 15nH, wirken gemäß V = - L di/dt 150V an der Induktivität. Beim Ausschalten zieht die Spannung die Quelle negativ gegenüber dem Gate-Treiber und beim Einschalten ist die Richtung positiv gegenüber dem Gate-Treiber. Die Folge kann ein Verlust der Effizienz sein und sogar Schäden infolge unechten Einschaltens, was ein Durchschießen der Ströme verursacht (Shoot-Through). 15nH mögen groß erscheinen, stellen aber nur etwa 25 mm einer Leiterplattenbahn dar. Selbst eine Leiterplatten-Durchkontaktierung hat eine Induktivität von etwa 1,2 nH und erzeugt eine Transiente von 12V. In der Praxis ist bei diesen hohen Werten von di/dt nur ein Chip Scale Package mit Kelvin-Anschluss zu Gate und Source für den Gate-Treiber praktikabel. Das Ansteuern des Gates mit einer negativen Spannung für den Aus-Zustand hilft, wenn eine restliche Induktivität nicht vermieden werden kann. In realen Schaltungen wie Gegentakt oder Vollbrücken in Invertern oder Motorsteuerungen teilen sich zwei Low-Side-Bausteine häufig eine gemeinsame Rückleitung für Source- und Gate-Treiber-Ströme, wie in Abbildung 3 gezeigt.


Abbildung 3. Low-Side-Bausteine mit gemeinsamer Masse

Jetzt sind Kelvin-Anschlüsse nicht möglich, da es zwei Treiber mit jeweils eigener Rückführung gibt. Die zwei Treiber-Masseanschlüsse und zwei Emitter-Anschlüsse (Source) müssen miteinander verbunden sein und wenn dieser Punkt physisch bei Powergnd 1 nahe beim linken Schalter ist, würde der rechte Schalter eine größere Induktivität der Source-Verbindung als der linke haben, was zu einem asymmetrischen Schalten führt, potentiell zu elektromagnetischen Störungen und zu Schäden infolge der induzierten Spannungen über der Induktivität. Für Symmetrie ist der Punkt ‘Powergnd 2’ die einzige Option, aber ein schlechter Kompromiss, weil nun beide Source-Anschlüsse zwar gleiche aber große Anschluss-Induktivitäten im Gate-Treiber-Stromkreis haben, insbesondere in Hochleistungssystemen, wo die Bauteile möglicherweise nicht physisch geschlossen sind.

Eine Lösung ist die Bereitstellung isolierter Signale und Stromversorgungen für die beiden Gate-Treiber, wie in Abbildung 4 gezeigt. Jetzt können Treibersignal und Stromrückführung direkt mit ihren jeweiligen Bauteil-Emittern (Source) verbunden werden, wodurch die meisten externen Induktivitäten aus den Treiber-Stromkreisen ausgeschlossen werden.


Abbildung 4. Gate-Treiber mit Signal- und Stromisolierung mittels Kelvin-Anschluss

Herausforderungen des High-Side-Schaltens

Die Anordnung der Abbildung 4 löst das Problem, dass di/dt Transienten der Gate-Spannung infolge der Emitter-Induktivität (Source) verursacht. Typischerweise wird sie auch für die zwei Schalter der ‘High-Side’ in einer ‘H’-Brücke verwendet, wo die beiden Rückführungen der Gate-Treiber tatsächlich gegenphasige Schaltknoten sind und daher voneinander isoliert werden müssen. In der High-Side-Anordnung erscheint die hohe geschaltete Spannung jetzt über der Isolation des Gate-Treibers und kann andere Probleme verursachen. Hohe Werte von dV/dt sind das Problem mit großen Verschiebestromstärken durch die Isolationskapazität gemäß I = C dV/dt. Mit leicht möglichen Änderungsraten von 100V/ns würde eine 10pF Sperrschichtkapazität ein Ampere Stromstärke durchlassen, die durch die Primärseite der Gate-Treiber-Schaltung zirkuliert und potentiell den Betrieb unterbrechen kann.

Die Signal-Isolationsbauteile des Gate-Treibers sind üblicherweise Optokoppler oder Transformatoren, manchmal wird auch ein Koppelkondensator verwendet. Die Leistung von isolierten Gate-Treiber-Schaltkreisen ist durch die in Tabelle 1 gezeigten Hauptparameter angegeben, wobei CMTI, die Gleichtaktschwankungsimmunität, für unsere Schaltung mit hohem dV/dt am wichtigsten ist. Dieser Wert ist jedoch ein Labormesswert mit höchstwahrscheinlich Einzelimpulsen. Er sagt nichts über die Zuverlässigkeit bei anhaltend hoher Spannung und bei hohen dV/dt Wellenformen aus.


Tabelle 1. Wichtige Parameter von isolierten Gate-Treibern

Andere Parameter wie VIORM/VIOWM/VIOTM/VPR sind wichtig, aber nochmals nicht direkt relevant für unseren Schaltstromkreis, wobei Standardtests häufig bei 50/60Hz, Gleichspannung oder Spitzenwerten definiert sind. Separate Gate-Treiber-Transformatoren haben ähnliche Beschränkungen der Spezifikationen, weil häufig nur einfache ‘Hi-pot’ Tests für eine Sekunde oder eine Minute genannt werden, typischerweise bei einer Gleichspannung oder bei Wechselspannung mit 50/60Hz. Eine Einstufung der Zuverlässigkeit bei hohen, geschalteten Spannungen mit hoher Frequenz, die über die Windungen oder sogar CMTI angelegt sind, dürfte selten zu finden sein. Bei Transformatoren variieren die Methoden für eine hohe Isolation mit der Anwendung; Lackdraht mag einen einzelnen ‘Hi-pot’-Test bestehen, ist aber nicht zuverlässig durch die nahezu garantierten Nadellöcher im Lack. Sicherheitsbehörden erlauben das sicherlich nicht als eine Sicherheitsbarriere bei irgendeiner Spannung. Draht mit besserer Isolation wie ‘dreifach isolierte’ Typen können die Genehmigung von Sicherheitsbehörden erreichen, aber sie sind sperrig und führen zu einem Transformator mit relativ hoher Koppelkapazität und Verschiebungsstrom. Sie haben zudem schlechte Leistung bei geschalteten hohen Spannungen infolge von Effekten der Teilentladung (PD) zwischen den Isolationsschichten gezeigt. Die ideale Konstruktion ist eine, bei der Windungen durch einen garantierten Abstand durch Luft physisch getrennt sind, um die Sicherheitsbehörden zufriedenzustellen, welche eine geringe Kapazität zwischen den Windungen aufweisen und die nicht auf feste Materialien vertrauen, die einer Teilentladung unterliegen könnten. Abbildung 5.


Abbildung 5. Gate-Treiber-Transformator mit physischer Trennung zwischen den Windungen

Die exakt gleichen Betrachtungen gelten für die Transformatoren innerhalb isolierter Gate-Treiber-Stromversorgungen mit häufig fehlenden CMTI-Ratings und einer Hochspannungsisolation, die auf vielfältige Weise angegeben ist.

Effekte der Teilentladung

Teilentladung (PD) bewirkt eine langsame Degradierung von festen Isolationsmaterialien, die durch Hochspannung beansprucht werden. Der Effekt wird durch das aufeinanderfolgende Brechen von Mikroporen in dem Material verursacht, was bei einem organischen Typ zu einer Karbonisierung des erzeugten Plasmas führt. Die Poren werden zu permanenten Kurzschlüssen und verringern die effektiv wirksame Isolationsdicke, was zu höheren elektrischen Feldstärken an der verbleibenden Isolation und letztendlich zum Totalausfall führt. Die PD-Effekte beginnen abrupt bei einer ‘Einsetz-’Spannung, die vom Gas in der Pore, dem Druck und der Porengröße abhängt und durch die ‘Paschen’-Kurve gekennzeichnet ist [1]. Bei einer geschalteten Spannung hängt die Einsetzspannung auch von der Frequenz ab.

Sogar die Durchschlagsspannung von Grundmaterialien sollte nicht beim Nennwert genommen werden. Glas gilt beispielsweise als exzellenter Isolator und hat eine Durchschlagsspannung von etwa 60kV/mm – das gilt aber bei 60Hz. Bei 1MHz beträgt der Wert weniger als ein Zehntel davon und liegt bei etwa 5kV/mm. Wenn einige Gate-Treiber-Schaltkreise Abstände durch die Isolation von <10µm haben, müssen Frequenzeffekte sorgfältig berücksichtigt werden.

Werte der geschalteten Spannung, dV/dt und Frequenz sind daher die entscheidenden Parameter zur Beurteilung der Isolationszuverlässigkeit. Transiente Spannungen infolge von Überschwingen und Resonanzen mit parasitären Kapazitäten und Induktivitäten sollten ebenfalls beurteilt und den Systemspannungen hinzugerechnet werden.

Beurteilung und Untersuchung der Sperrschichtisolierung

Der Hersteller von Gate-Treiber-Stromversorgungen RECOM [2] hat die potenziellen Probleme mit Transformatoren in DC-DC-Konvertern erkannt, die hohen und geschalteten Gegentaktspannungen ausgesetzt sind, und hat eine Studie zusammen mit dem Experten für Isolationswerkstoffe Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr.techn. Christof Sumereder der Technischen Universität Graz und FH Johanneum durchgeführt. Die intern als ‘BIER’ (Beurteilung und Untersuchung der Barrieren-Isolation) bezeichnete Arbeit umfasst die Beurteilung von 30 Halbbrücken-Leistungsstufen mit isoliertem Schalten der High- und Low-Seite, Abbildung 6. Drei unterschiedliche Konfigurationen wurden gemäß Tabelle 2 gebaut und liefen 1464 Stunden bei 70°C Umgebungstemperatur, einer DC-Rail von 1000V, Schaltfrequenz von 50kHz und Flankenrate von 65kV/µs. T1 war nicht Bestandteil des Tests.


Abbildung 6. Schaltung für PD-Testbeurteilung


Tabelle 2. ‘BIER’ Testkonfigurationen

Messungen der Teilentladung erfolgten vor und nach dem Test und zeigen, dass in den verwendeten Konfigurationen keine merkliche Verschlechterung der Leistung aufgetreten ist (Abbildung 7). Die Einsetzspannung der Teilentladung verblieb bei über zweimal der angelegten Spitzenschaltspannung und zeigt einen guten Spielraum sowie eine vorhersehbare langfristige Zuverlässigkeit beim Betrieb an. Der vollständige Bericht ist auf der RECOM-Webseite erhältlich [3].


Abbildung 7. Ergebnisse der PD-Beurteilung

Schlussfolgerung

Die Isolation von Gate-Treiber-Signalen und Stromversorgung in Gegentakt- und Brückenschaltungen löst das Problem von Spannungstransienten, die in ‘Low-Side’- und ‘High-Side’-Schaltungen an das Gate gekoppelt werden. Die Isolationsbauteile der High-Side unterliegen jedoch weiterhin einer hohen Beanspruchung durch Gleichtaktspannung bei hohen Frequenzen und hohen Übertragungsraten. Praktisch haben Teilentladungstests gezeigt, dass Isolationsbauteile in der Gate-Treiber DC-DC-Versorgung so konstruiert werden können, um eine gute langfristige Zuverlässigkeit zu haben.

RECOM bietet Baureihen von geeigneten DC-DC-Wandlern mit Ausgangsspannungen und Isolationsklassen für High-Side Gate-Treiber für IGBT, SiC und GaN-Technologien an.

Literaturverweise

https://en.wikipedia.org/wiki/Paschen%27s_law
https://recom-power.com
https://recom-power.com/en/report-gate-driver-converter-under-dvdt-stress.html

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