Wenn man in der Literatur nachschaut, tauchen überall Prototypdesigns und Evaluierungsboards für bidirektionale Stromversorgungen auf. Warum das plötzliche Interesse an Bidirektionalität? Einer der Hauptgründe sind Elektrofahrzeuge, genauer gesagt, deren Batteriepacks als Speichermedium für erneuerbare Energie.
Erneuerbare Energien sind heute in vielen Ländern ein heißes Thema: In den USA ist sie die am schnellsten wachsende Energiequelle mit einer Wachstumsrate von 100% von 2000 bis 2018. Großbritannien produzierte im Jahr 2019 zum ersten Mal mehr Strom aus erneuerbarer Energie als durch brennstoffbasierte Kraftwerke, obwohl noch vor weniger als einem Jahrzehnt mehr als 75% des Stroms aus fossilen Brennstoffen stammte. Österreich, wo RECOM Power seinen energieneutralen Hauptsitz hat, steht an der Spitze des europäischen Ökostromprojekts, wo rund 72% des Strombedarfs von kohlenstofffreien Quellen kommen. Doch nicht jedes Land hat den Vorteile, Berge mit hoch liegende Flüssen und Seen zu haben, um ganzjährig Wasserkraftwerke betrieben zu können. Die meisten Länder müssen sich auf Wind-, Solar- oder kleine Flusswasserkraftwerke verlassen, die nicht immer sehr zuverlässige Energiequellen sind; niedrige Wasserstände der Flüsse im Sommer begrenzen die Stromerzeugung aus Laufwasserkraftwerken, und der Spitzenbedarf an elektrischer Energie entsteht oft an windstillen Tagen oder in der Nacht.
Eine der Lösungen für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit ist natürlich die Nutzung der in den Batterien von Elektrofahrzeugen gespeicherten (
electric vehicles, EV) elektrischen Energie zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage in einem sogenannten Vehicle-to-Grid (V2G)-System. Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird es voraussichtlich allein in Deutschland rund 7 Millionen Elektrofahrzeuge geben, die jeweils 20-100kWh Batteriekapazität an Bord haben werden. Selbst wenn nur 20% dieser Kapazität zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbar sind, entspricht das immer noch 140GW oder mehr als der Kapazität von 100 Kernkraftwerken.
Der Schlüssel zu einem erfolgreichen V2G-System ist die Kombination aus bidirektionalem Energiefluss und künstlicher Intelligenz. Die meisten Fahrzeuge verbringen mehr als 95% ihrer Zeit geparkt. Wenn ein E-Fahrzeug an eine Ladestation angeschlossen ist, während der Besitzer bei der Arbeit ist, kann das E-Fahrzeug bestimmen, ob es seine Batterie weiter auflädt oder einen Teil seiner gespeicherten Ladung zu Spitzenzeiten wieder an das Netz abgibt und so seinen Ladezustand in Abhängigkeit von bekannten oder vorhergesagten Nutzungsmustern anpasst. Da die meisten Fahrten am Tag weniger als 37km betragen, ist es nicht immer notwendig, dass das Fahrzeug zwischen den täglichen Fahrtzeiten voll aufgeladen ist oder bleibt. Dazu ist jedoch ein
bidirektionales Ladegerät/Netzwechselrichter erforderlich, um die elektrische Leistung in beide Richtungen zu übertragen. Dabei muss die bidirektionale Ladestation nicht selbst intelligent sein: Die notwendige Rechenleistung ist in dem im Elektrofahrzeug eingebauten AI-System bereits enthalten. (AI System, Artificial Intelligence)
Nachdem der potenzielle Bedarf an Millionen von bidirektionalen AC/DC-Stromversorgungen festgestellt wurde, der die geschätzte Zunahme von E-Fahrzeugen bis 2030 decken würde, stellt sich im nächsten Schritt die Frage, ob es wirtschaftlich rentabel ist, diese zu bauen. Es gibt zwei relativ neue Entwicklungen, die die Realisierung bidirektionaler Designs wesentlich einfacher und billiger gemacht haben. Die erste ist die Einführung neuer Topologien, die sich besonders gut für den bidirektionalen Stromfluss eignen. Die zweite ist die Reifung neuer Technologien wie Siliziumkarbid (
SiC)-Hochleistungs-Schalttransistoren, die jetzt preislich mit der seit langem etablierten IGBT-Technologie (
Insulated Gate Bipolar Transistor) konkurrieren können, aber geringere Schaltverluste aufweisen und somit eine höhere Effizienz aufweisen.